Schwere der Konflikte

Kann man Konflikte der Intensität nach aufteilen? Wie lässt sich die Schwere eines Konfliktes bewerten?

Um die Konflikte zwischen Gruppen besser verstehen und bearbeiten zu können, ist es insgesamt erforderlich, sich intensiv mit den dahinterliegenden Wahrnehmungsmustern vertraut zu machen (Selbstbild und Fremdbilder) und der Frage nachzugehen, inwieweit diese auf normativen und/oder kognitiven Mustern beruhen (vgl. Steinmann/Schreyögg/Koch 2013, Management, 7. Aufl., S. 580).

Die Schwere der Konflikte lässt sich jedoch nur schwer an einem genormten Muster ablesen. Selbstbild und Fremdbilder sind sehr subjektiv – außerdem ist die subjektiv erlebte Schwere des Konfliktes meist von Situation oder Tagesform abhängig, und daher nur schwer zu greifen.

Was passiert denn nun in einem schweren Konflikt anderes als in einer Diskussion mit einem guten Freund? Friedrich Glasl, Universitätsprofessor und Berater (Salzburg), der sich wohl wie kein zweiter Wissenschaftler um Systematisierung und Bearbeitung von Konflikten verdient gemacht hat, beschreibt als Überblick die Eskalation in drei Ebenen (die im Einzelnen in insgesamt 9 Stufen eingeteilt werden):

Ebene I (Win-Win)
Der Konflikt befindet sich noch auf der Sachebene. Eine Einigung mittels Moderation ist noch relativ leicht möglich.

  • Stufe 1: Verhärtung
    Ein Konflikt beginnt immer mit Spannungen, es gibt verschiedene Meinungen, die einander (scheinbar) widersprechen. Auf dieser Stufe geht es noch allein um die Sache und die Meinungsverschiedenheiten werden oft nicht als Beginn eines Konflikts wahrgenommen.
  • Stufe 2: Debatte
    Die Konfliktparteien beginnen sich genauer zu überlegen, wie sie das Gegenüber von ihrer Meinung überzeugen können. Es kommt mitunter bereits zum Streit und man beginnt damit in Schwarz und Weiß zu denken. Man selber hat jedenfalls Recht, das Gegenüber liegt falsch und er soll das gefälligst auch einsehen.
  • Stufe 3: Taten statt Worte
    Der Konflikt verschärft sich. Man hört möglicherweise auf, miteinander zu reden – bricht Gespräche ab. Man beginnt, sich zu überlegen, wie man den anderen auf andere Weise dazu bringen könnte sein Unvermögen einzugestehen und setzt Nadelstiche indem man den anderen durch Taten provoziert.

Ebene II (Win-Lose)
Der Konflikt ist bereits auf die Beziehungsebene gerutscht. Einfache Moderation reicht nicht mehr aus. Mit Mediation, sondierungsgestützter Moderation oder anderer Prozessbegleitung kann man noch deeskalieren.

  • Stufe 4: Koalitionen
    Man beginnt systematisch andere Menschen aus der Umgebung für die eigene Position zu gewinnen und gegen den Konfliktpartner.
  • Stufe 5: Gesichtsverlust
    Jetzt will man die/den GegnerIn vernichten – und schreckt dabei auch vor Verleumdungen nicht zurück. Jegliche Moral wird über Bord geworfen.
  • Stufe 6: Drohstrategien
    Um die eigene Macht zu demonstrieren und irgendwie die Kontrolle über die Situation zu behalten, droht man dem Gegenüber und stellt (oftmals unerfüllbare) Forderungen.

Ebene III (Lose-Lose)
Auf Stufe 7 kann man mit Mediation evtl. noch weiterkommen. Danach braucht es auf jeden Fall eine Entscheidung durch eine außenstehende Macht (Schiedsverfahren, Gericht oder auch ChefIn, z.B. durch Entlassung einer oder beider Streitparteien).

  • Stufe 7: Begrenzte Vernichtung
    Das Gegenüber wird entmenschlicht und man will ihm möglichst schaden. Solange man selbst nicht allzu sehr unter den eigenen Aktionen leidet, wird das bereits als Gewinn angesehen.
  • Stufe 8: Zersplitterung
    Jetzt will man die/den GegnerIn zerstören – nur Schaden reicht nicht mehr aus (z.B. verschärfter Psychoterror, Verleumdung am Arbeitsplatz und in allen anderen Lebensbereichen, Bedrohung der Existenzgrundlage des Gegenübers).
  • Stufe 9: Gemeinsam in den Abgrund
    Um die/den GegnerIn zu vernichten kalkuliert man den eigenen Untergang mit ein – ab jetzt ist alles erlaubt (z.B. man nimmt eine Gefängnisstrafe in Kauf, Verletzungen oder sogar den eigenen Tod – solange man nur den anderen ebenfalls vernichtet).

(Vgl. Glasl 2011, Konfliktmanagement, 10.Aufl.)

„Them-o-meter“ nach Nadia Dörflinger-Khashman

Um die wahrgenommene Beeinträchtigung, die durch die Konfliktsituation verursacht wird, im Hinblick auf Intensität darzustellen, hat Nadia Dörlinger-Khashman 2016 einen Vorschlag gemacht:

Them-o-meter in: Knapp 2016, Konfliktlösungs-Tools, Klärende und deeskalierende Methoden für die Mediations- und Konfliktmanagement-Praxis, 4. Aufl., S. 89-92. Das Them-o-meter dient als Einstieg in die Themensammlung und lässt positive und negative Konsequenzen der Konfliktsituation intensitätsmäßig sichtbar machen.