Grenzen der Wissenschaft

Jede wissenschaftliche Forschung hat nach der Auffassung des FIDES-Leiters, Dr. Christian Marettek, bestimmte Grenzen; gute Forschung ist sich dieser Grenzen bewusst und versucht entlang dieser Grenzen tatsächliche Erkenntnisfortschritte für die Lebenswirklichkeit der Bürger zu erreichen.

Dr. Marettek erläutert im Folgenden die Grenzen der Wissenschaft anhand seines neuesten Buchs „Steuerungsprobleme großer Universitäten in Zeiten der Exzellenzinitiative“ (im Druck). Das Buch basiert auf Interviews mit betroffenen Rektoren und einer umfassenden Literaturrecherche und erarbeitet einen Gestaltungsvorschlag zur Weiterentwicklung der deutschen Universitäten „Gemeinsam für exzellente Wissenschaftsregionen“.

Was ist überhaupt Wissenschaft?

Interview mit Dr. Marettek: „Wissenschaft kann man vereinfachend als Versuch des Menschen bezeichnen, komplexe Probleme zu erfassen und zu lösen. Dieser Problemlösungsprozess hat mindestens sechs systemimmanente Herausforderungen zu bewältigen – einfach weil die beobachtete Lebenswirklichkeit des Menschen so extrem komplex ist:

Das fachdisziplinäre Problem: Indem die Wissenschaft versucht hat, Erkenntnisse über die Realität zu systematisieren und bestimmte Sachverhalte differenziert darzustellen, sind im Grunde zwangsläufig Fachdisziplinen entstanden, durch deren fachliche Konzentration nur isolierte Einsichten über die komplexe Lebenswirklichkeit entstehen. Komplexe Steuerungsprobleme verlangen also immer eine transdisziplinäre Betrachtung.

Das Aktualitätsproblem: Indem die Wissenschaft ein Steuerungsproblem wie z.B. diejenigen der interviewten Universitätsrektoren beschreibt, vergehen zwangsläufig ein bis zwei Jahre, in denen sich die Wirklichkeit wieder verändert hat.

Das Aufschreiben komplexer Steuerungsprobleme wird – wenn keine Verständnis oder Übertragungsfehler entstanden sind (nach den Interviews) – nur der Realität in den betrachteten Universitäten gerecht; häufig nicht aber einer benachbarten Universität (die nicht in der Interviewstichprobe war). Hieraus können sich vielfältige Probleme ergeben, die man unter dem Begriff „Praxis-Übertragungsproblem“ zusammen fassen kann.

Differenzierte Wissenschaft bedeutet häufig nicht gleich Weisheit: Bisweilen sieht der Spezialist nicht mehr das Ganze! Hier versucht das FIDES-Projektteam durch Integration von Nicht-Wissenschaftlern gegen zu steuern. Weisheit ist schon nach dem biblischen König Salomon hoch erstrebenswert!

Wissenschaft ist wie jede menschliche Tätigkeit fast immer interessengeleitet. Erfolgreiche wissenschaftliche Erkenntnissprozesse ermutigen und verführen aber auch wohlmeinende Forscher bisweilen zu eher geltungsorientierten Folgerungen.

Die hier nur angedeuteten, auf individuelle Interessen und/oder Intentionen bezogenen Probleme der Forschung können grundsätzlich nur durch intersubjektive Überprüfung durch andere kompetente Personen bewältigen. Im genannten Projekt „Steuerungsprobleme“ wurde versucht, durch Teilnahme anderer Persönlichkeiten – hier Prof. Dr. Nida-Rümelin, Dr. Florian Kaufmann und Verena Holl – an den Interviews und den gesamten Diskussionsprozessen eine Objektivierung zu erreichen.

Selbst wenn alle diese Grenzen der Wissenschaft bewältigt sind, existiert immer noch das zentrale Kommunikationsproblem jeder Wissenschaft: Wissenschaft versucht zwangsläufig so präzise wie möglich zu formulieren. Allein durch dieses Präzisionsziel entstehen zwangsläufig komplexe Sätze, Fußnoten usw., die durchschnittliche Leser meist überfordert. Ergebnis: ab des zweiten Absatzes oder der zweiten Seite werden potentielle Leser abgehängt; sie lesen nicht weiter!

Daher verfolgt FIDES grundsätzlich immer eine zweistufige Forschungsstrategie: die eigentliche wissenschaftliche Veröffentlichung – hier zu den „Steuerungsproblemen großer Universitäten“ – und davon abgetrennt eine zweite Veröffentlichung in einer vereinfachten Sprache und unter Hinzuziehung weiterer Personen als Testleser usw. Nur so können Bücher entstehen, die (hoffentlich) von Vielen gelesen werden und tatsächlich einen gesellschaftlichen Nutzen bringen können.

Dementsprechend ist – zusätzlich zu dem wissenschaftlichen Projektbericht, der jetzt als Band drei in der Wissenschaftlichen Rehe zum öffentlichen Management erscheint – in 2016/2017 ein umgangssprachlich ausgerichtetes Buch über „Führen in der Wissenschaft“ geplant (voraussichtlich zusammen mit den befreundeten PwC-Kollegen).